Gazette Dezember 2019 | CURAVIVA Bildung

4  |  Bildung gazette  |  Dezember 2019 Sie treten dort ein, wo erfahrungsgemäss oder verein- bart Unterstützung nötig ist. So wie bei Bewohnerin Eliane K., die spätabends noch eine Handschiene er- hält, oder bei Felix B., der nachts schnell zu heiss oder zu kalt hat. Im Moment da sein Nach Mitternacht hallen Rufe durch die Stille. Bewoh- nerin Tamara M. musste erbrechen. Das kann vorkom- men, wenn es ihr psychisch nicht gut geht. «Beschäf- tigt dich etwas?», fragt Cornelia Moser, während sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Bettzeug und Pyjama wechselt.Tamara M. weint, entschuldigt sich. «Macht nichts, das kann passieren», sagt die Nachtwache. Nur eine Stunde später wiederholt sich das Ganze. «Das sind die unangenehmen Seiten unserer Arbeit», so CorneliaMoser. «Doch das kommt auch tagsüber vor.» Insgesamt verbringen die Nachtwachen heute über zwei Stunden im Zimmer dieser Bewohnerin – sie re- den ihr gut zu, lenken etwas ab, pflegen, putzen,wech- seln die Bettwäsche, bringen das gewünschte Glas Coca-Cola, später eine Tablette, die Tamara M. etwas Ruhe spenden soll. Keine Nacht wie die andere Was macht eine gute Nachtwache aus? «Unsere Auf- gabe ist es, die Menschen durch die Nacht zu beglei- ten», sagt Cornelia Moser. «Das Wissen, dass wir im Haus sind, gibt Sicherheit.» Die Nachtwache unter- stütze Bewohnende darin, den Wach-Schlaf-Rhyth- mus zu finden, ergänzt Franziska Poffet. «Die Nacht ist in erster Linie zum Schlafen da. Deshalb sind wir leise, ruhig und führen nicht stundenlange Diskussio­ nen. Aber wir sind natürlich da, wenn uns jemand braucht.» Es gibt ruhige Nächte, aber auch schwierige. «Man weiss nie, was einen erwartet», sagt Franziska Poffet. «Und man trägt eine grosse Verantwortung.» Das habe sie anfänglich belastet – insbesondere, weil die Nachtwachen damals noch alleine arbeiteten. Sie schätzt die Arbeit im Zweierteam. Gesundheit und Umfeld betroffen Nachtarbeit wirkt sich auf die Gesundheit und das Sozialleben aus. Wenn jemand nachts arbeitet, sind Partner und Familie mitbetroffen. Es ist deutlich «Zu meinem 80-Prozent-Pensum als Sozialpädagogin gehören vier bis sechs monatliche Nachtdienste, darun- ter einer bis zwei anWochenenden. Dann bin ich alleine für sechs Jugendliche in Krisensituationen zuständig. Nebst der Betreuung der Gruppe ist die Abklärung von Noteintritten in der Nacht ein zentraler Aspekt. Je nach Situation kann dies belastend sein. Zudem ist der Pi- kett-Schlaf in der Regel deutlich weniger tief als jener zuhause. Die grosse Verantwortung, welche wir wäh- rend des Nachtdienstes alleine tragen, wird meiner Mei- nung nach zu wenig anerkannt.» Vera Zinsli, Sozialarbeiterin FH,   Notaufnahmegruppe für Jugendliche (NAG) Bern Nachgefragt: Drei Statements zur Nachtarbeit In der Stiftung Tannacker gibt es ein Team, das ausschliesslich nachts arbeitet. Weshalb? Evelyn Heinicke, Bereichsleiterin Ge- sundheit in der Stiftung Tannacker, Moosseedorf: Grundsätzlich würde ich es befürworten, wenn die Nacht­ dienste die Bewohnenden auch tags- über erleben könnten. Andererseits haben wir ein sehr kompetentes Nacht- wacheteam mit Mitarbeitenden, welche diese Arbeit gerne übernehmen und sich privat entsprechend organisiert haben. Für die Bewohnenden ist ein Nachtwacheteam kein Nachteil. Oft sind es langjährige Mitarbeitende, zu denen eine gewachsene Ver- trautheit besteht. Wie anspruchsvoll ist die Planung der Nachtwache? Die Nachtwachen haben vielfach individuelle Vorlieben, die sie gerne berücksichtigt haben möchten. Das verstehe ich; ande­ rerseits kann man leider oft nicht allenWünschen gerecht werden. Die Planung gleicht einem Sudoku, das manchmal besser und manchmal weniger gut gelingt.Wer plant, muss Kritik aushalten können, selbst wenn man sich viel Mühe gegeben hat.

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