Gazette Dezember 2019 | CURAVIVA Bildung

Bildung gazette  |  Dezember 2019  |  5 schwieriger, Aktivitäten mit Freunden, den Besuch von Kursen oder die Mitgliedschaft in Vereinen zu or­ ganisieren. Arbeiten entgegen der «inneren Uhr» kann zudem Beschwerden wie Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme, innere Unruhe, Nervosität oder Trau- rigkeit auslösen. Eine Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (2013) hat ergeben, dass 20 Prozent der Mit- arbeitenden die Schichtarbeit innerhalb des ersten Jahres wieder verlassen. Zehn Prozent erachten die Schicht- oder Nachtarbeit als gesundheitlich unprob- lematisch. Die grosse Mehrheit, nämlich 70 Prozent, lernen mehr oder weniger damit umzugehen. Zu ih- nen dürfte man wohl Cornelia Moser und Franziska Poffet zählen. Obwohl sich Franziska Poffet als «Eule» bezeichnet, sei die Nachtarbeit nicht unproblematisch. «Die Schlafqualität ist anders tagsüber, die Störungen durchVerkehr oder Rasenmäher sind grösser.»VonTag zu Tag kumuliere sich der Schlafmangel, weshalb sie für sich drei Nächte am Stück optimal findet. Anders Cornelia Moser: «Ich vertrage längere Einsätze besser als den ständigen Wechsel.» Die erfahrenen Nacht- wachen sind sich bewusst, dass die Planung höchst anspruchsvoll ist. Dennoch wünschten sie sich, dass individuelleWünsche noch besser berücksichtigt wer- den könnten. Gewohnheiten respektieren Nach einer eher unruhigen Nacht zeichnet sich früh- morgens am Horizont ein heller Schimmer ab. Corne- liaMoser hat auf einer Gruppe bereits Tee und heisses Wasser für den Morgenkaffee bereitgestellt, den sich zwei Frühaufsteher oftmals schon um sechs Uhr früh genehmigen. «Auch das verstehen wir unter Funktio- naler Gesundheit», sagt die Sozialpädagogin. «Die Be- wohnenden sollen ihr Leben so führen können, wie es ihnen entspricht.» Zu Bett bei Sonnenaufgang Ab sieben Uhr kommen alle Gruppenverantwortlichen beimNachtwachebüro für die Übergabe vorbei. Dann gehen die beiden Nachtwachen in den Feierabend oder besser gesagt in den «Feiermorgen». Franziska Poffet wird zu Hause so schnell wie möglich ins Bett schlüpfen und versuchen,mindestens sieben Stunden Schlaf zu bekommen. CorneliaMoser hingegenmistet daheim ihren beiden Eseln den Stall aus und dreht dann eine Runde mit dem Hund. So kann sie am bes- ten herunterfahren. Anschliessend legt sie sich im möglichst dunklen Schlafzimmer hin. Einmal wurde sie von einer Tannacker-Bewohnerin gefragt: «Wieso schaffisch du eigentlich nume z Nacht? So schlächt gsehsch ömu nid us.» * Alle Namen der Bewohnenden geändert Astrid Bossert Meier Unser Thema «Nach 15 Jahren als Nachtwache arbeite ich heute so- wohl im Tag- als auch im Nachtdienst. Ich übernehme monatlich fünf bis sechs Nächte. Trotz Team im Hinter- grund muss man in Notfallsituationen oft selber ent- scheiden. Anfänglich hat mich das belastet. Heute kämpfe ich eher mit den körperlichen Folgen der Nacht- arbeit, weil der Schlafrhythmus durcheinander gerät. Wir erhalten nachts einen kleinen Zuschlag. Verglichen mit anderen Branchen und der grossen Verantwortung empfinde ich die Abgeltung als tief.» Andrea Staffelbach, Pflegefachfrau,   Regionales Alters- und Pflegezentrum Reiden «Ungefähr einmal wöchentlich arbeite ich abends bis 23.30 Uhr. Dazu kommen zwei bis drei längere Wochen- endeinsätze pro Monat, bei denen es gegen fünf Uhr früh werden kann, bis ich Feierabend machen kann. Ich habe Familie und zwei kleine Kinder. Ausschlafen ist deshalb schwierig und ich fühle mich am folgenden Tag oft etwas eingeschränkt. Aber es ist verkraftbar. Als Ab- geltung für diese Einsätze erhalten wir eine zusätzliche, sechste Ferienwoche. Das finde ich fair.» Ahmed Mehdi, Soziokultureller Animator FH,   Jugendkulturhaus Treibhaus Luzern

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