Gazette September 2019 | CURAVIVA Schweiz

Bildung gazette  |  September 2019  |  7 mehr Kapazitäten, wenn es losgeht. Das ist allerdings kein Thema, das nur über 40-Jährige betrifft. In den Leitsätzen von CURAVIVA steht, dass die Aus- und Weiterbildung die Fachkompetenz, die per­ sonalen und sozialen Kompetenzen und die ethische Reflexion schult. Was ist für ältere Lernende am anspruchsvollsten? Roland Zihlmann: Die Fachlichkeit hat in der Ausbil­ dung einen hohen Stellenwert. Sich diese anzueignen, bedeutet auch Aneignung einer präzisen Fachsprache. Gewisse Begriffe und Definitionen müssen auswen­ dig gelernt werden. Hier sind ältere Studierende enorm gefordert, sich nicht ausschliesslich auf ihre praktischen Erfahrungen zu berufen, sondern auch zu üben, eine neueTerminologie anzuwenden. In der Aus­ einandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit erle­ be ich die älteren Studierenden enorm offen. Welche Ratschläge geben Sie jemandem, der mit über 40 Jahren eine intensive Aus- oder Weiterbil- dung in Angriff nehmen will? Marylène Renggli: Mein Rat, insbesondere an ältere Teilnehmende, ist die vermittelte Theorie immer mit ihrer Erfahrung aus der Praxis in Verbindung zu brin­ gen und ihre Handlungskompetenzen zu erweitern. So werden sie einen enormen Lerneffekt erleben. Ich rate zudem, in der Gruppe zu lernen und damit vom Wissen der anderen Kursteilnehmenden zu profitie­ ren. Schliesslich noch zum Zeitmanagement:Wer das Lernen nicht mehr gewohnt ist, sollte unbedingt ge­ Unser Thema «Selbstverständlich lohnt es sich auch mit 64 Jahren, sich selber weiterzubringen!» Marylène Renggli, CURAVIVA Weiterbildung nügend Zeit dafür einplanen.Vielleicht muss manmal eine Ferienwoche hergeben oder sich abgrenzen, wenn in der Institution Personalmangel herrscht. Aber das lohnt sich. So hält sich der Druck bei Ausbildungs­ abschluss in Grenzen. Roland Zihlmann: Ein gutes Zeitmanagement ist auch in meinen Augen entscheidend. Die Zeit zum Lernen sollte gut geplant, aber auch konsequent eingehalten werden. Ich rate insbesondere älteren Studierenden zudem, von Anfang an den Mut zu haben, sich an die Dozierenden oder die Kursleitung zu wenden, wenn sie etwas nicht verstehen oder realisieren, dass ihnen ein bestimmtes Vorwissen fehlt.Und schliesslich emp­ fehle ich, sich dort Hilfe aufzubauen, wo man sie braucht. So kann man beispielsweise eine Kollegin zum Gegenlesen von Seminararbeiten anfragen oder die Kinder bitten, bei technischen Schwierigkeiten die nötige Zeit zur Verfügung zu stellen.Imoptimalen Fall beginnt manmit diesen Vorbereitungen nicht am ers­ ten Studientag, sondern schon vorher. Warum lohnt sich eine Ausbildung auch mit 40, 50 oder gar 60 Jahren? Marylène Renggli: Kürzlich fragte ein 64-Jähriger an, ob sich der geplante zehntägige Vertiefungskurs für ihn überhaupt noch lohne. Selbstverständlich lohnt es sich, sich selber weiterzubringen! Auch wenn nur noch ein Jahr Arbeitszeit bevorsteht, kann man noch einiges umsetzen oder in die Wege leiten. Nebst den vermittelten Fachinhalten erachten zudem viele den Austausch mit anderen Kursteilnehmenden als äus­ serst bereichernd. Das ist altersunabhängig. Roland Zihlmann: Heute wirdmanmit 65 pensioniert; vielleicht arbeitet man künftig noch länger. Da ist es mit 50 nicht zu spät, sich mit einer Weiterbildung et­ was Gutes zu tun, sich mit eigenen Lebensthemen oder Mustern auseinanderzusetzen, nochmals neue Perspektiven zu entwickeln.Wir reden vom lebenslan­ gen Lernen. Vom Alter soll man sich nicht abhalten lassen. Astrid Bossert Meier Marylène Renggli-Boschung ist Bildungsbeauftragte Pflege und Betreuung von CURAVIVAWeiterbildung. Roland Zihlmann ist Kursleiter und Dozent; er unterrichtet selber Arbeitstechnik und Organisation an der Höheren Fachschule für Sozialpädagogik hsl.

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