Gazette März 2020 | CURAVIVA Schweiz
Bildung gazette | März 2020 | 7 Unser Thema Praxisbeispiel 3 InWauwil bestimmen Kinder mit UNICEF hat die Gemeinde Wauwil als besonders kinderfreundlich ausgezeichnet. Gelobt werden insbesondere die vorbildlichen Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Interessante Folge: Nun fordern die Senioren mehr Gehör. Ideen umsetzen Dass Partizipation nicht nur auf demPa- pier stattfindet, zeigt unter anderem das Projekt «Schul(T)räume» und «Pau- sen(T)räume». Mit Unterstützung der «drumrum Raumschule» formulierten die Schülerinnen und Schüler ihre Be- dürfnisse an einen künftigen Pausen- platz, arbeiteten Ideen aus, schufen in Workshops Modelle und setzten den neuen Pausenplatz an einem Aktions- tag zusammen mit Fachleuten und El- tern um. Auch beim Schulhausneubau konnten die Lernenden mitreden. In de- mokratischen Prozessen entschieden sie über Farben oder Möblierung und erwirkten sogar eine Fassadenände- rung. Sie setzten auf beiden Stockwer- ken im sogenannten «Chillraum» je ein grosszügiges Fenster mit einer breiten Fensterbank durch, auf welcheman sich setzen kann. Sprechstunde bei der Präsidentin Kinder und Jugendliche vermehrt an Entscheiden teilhaben zu lassen, sei für den Gemeinderat klar zeitaufwändiger, sagt Gemeindepräsidentin Annelies Gassmann. Allerdings erachtet sie de- ren Mitdenken als Bereicherung. «Das Ergebnis ist oftmals breiter akzeptiert. Zudem haben wir die Erfahrung ge- macht, dass Kinder mehr Sorge zu et- was tragen, wenn sie selber mitbestim- men können.» Mit unrealistischen Forderungen ist der Gemeinderat selten konfrontiert.Trotz- demkann er nicht alle Anliegen realisie- ren. Wichtig sei, mit den Kindern und Jugendlichen im Austausch zu bleiben und Entscheide gut zu begründen. Auch deswegen bietet die Gemeindepräsi- 2009 war Wauwil die erste Schweizer Gemeinde, die mit dem Label «Kinder- freundliche Gemeinde» ausgezeichnet wurde. Kinder reden in verschiedenen Gremien mit. Es gibt einen Kids-Rat, in welchem jede Schulklasse vom Kinder- garten bis zur sechsten Primarstufemit zwei Lernenden vertreten ist. Es gibt einen Sek-Rat, bestehend aus je zwei Jugendlichen der Sekundarklassen. Ausserdem wurde in der 2300-Seelen- Gemeinde ein schulunabhängiges Kin- der- und Jugendparlament gegründet. dentin neu spezielle Sprechstunden für Kinder und Jugendliche an. «Bis jetzt wurden diese noch nie in Anspruch ge- nommen. Aber mir ist wichtig, ein direk- tes und niederschwelliges Angebot zu machen.» Kritik bleibt nicht aus Seit 2009 wurde die kinderfreundliche Gemeinde von UNICEF schon zwei Mal rezertifiziert. Dieser Prozess ist mit Auf- wand verbunden. Lohnt er sich? «Die Rezertifizierung ist Verpflichtung und Motivation zugleich», sagt die Gemein- depräsidentin. «Man kann auch ohne Label kinderfreundlich sein, und das wäre erst noch günstiger. Aber ich glau- be, wir würden das Ziel nicht so konse- quent verfolgen.» Das Mitspracherecht für Kinder und Ju- gendliche löst nicht nur Begeisterung aus. Kürzlichmeldeten sich Seniorinnen und Senioren. Sie fanden, mit ihren Be- dürfnissen würden sie in der kinder- freundlichen Gemeinde zu wenig ge- hört. «Wir nehmen diese Kritik ernst und unterstützen aktuell die Erarbei- tung eines neuen Altersleitbildes.» Grundsätzlich sei es ja positiv, wenn sich Bürgerinnen und Bürger mit ihren Anliegen einbringen, so Annelies Gass- mann. «Die Herausforderung für uns als Gemeinderat ist, die richtige Balance zu finden.» www.wauwil.ch Astrid Bossert Meier
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