Gazette Dezember 2019 | CURAVIVA Bildung
Bildung gazette | Dezember 2019 | 13 Reportage ist für die Betreuung und Koordination der Abgabe- stellen und Freiwilligen in der Region Mittelland zu- ständig. In der Logistikplattform Grenchen wurden jene sieben Rollcontainer mit Waren zusammenge- stellt, die heute in Langenthal verteilt werden. Hier arbeiten bis zu 25 Mitarbeitende, davon rund 17 Perso- nen aus Arbeitsintegrationsprogrammen, Zivildienst- leistende und vereinzelte Festangestellte. Ohne Freiwillige geht’s nicht Franziska Bärtschi hat selber als Freiwillige bei «Tisch- lein deck dich» angefangen. Vor zwölf Jahren stieg sie professionell ein. Sie hat die rasante Entwicklung von damals zwölf auf mittlerweile 132 Abgabestellen miterlebt. «Heute sind wir ein Logistikbetrieb und ein Detailhändler», sagt sie. «Wir unterstehen dem Lebensmittelgesetz und müssen beispielsweise die Kühlkette gewissenhaft einhalten wie alle anderen auch.» «Tischlein deck dich» hat sich seit seiner Grün- dung im Jahr 1999 (siehe Kasten) ein riesiges Netz an Produktspendern aufgebaut. «Grossspender aus der verarbeitenden Industrie sind dabei besonders wich- tig», so Franziska Bärtschi. Kürzlich erhielt sie 150 Pa- letten mit Teigwaren, die für den Export bestimmt waren. Am Zoll stellte man fest, dass sie in falscher Sprache deklariert waren. Ohne «Tischlein deck dich» wären sie im Abfall gelandet. Die Organisation arbei- tet aber auch mit lokalen Betrieben zusammen, bei- spielsweise jener Bäckerei in Hasle, die jeweils das Brot vom Vortag spendet, oder mit einer Vereinigung von Biobauern. «Wenn ich daran denke, dass deren hoch- wertiges Gemüse auf dem Kompost enden würde, kommen mir fast die Tränen», sagt Franziska Bärtschi. Das Herz der Organisation seien jedoch die 3000 Frei- willigen. «Müssten wir ihnen Löhne zahlen, könnten wir zusammenpacken.» Die Reste der Resten verwerten Kurz vor 15 Uhr verlassen die letzten Kunden den Ver- kaufsraum im Kirchgemeindehaus Langenthal, und das Freiwilligenteam beginnt mit den Aufräumarbei- ten. Einige Waren sind übrig geblieben. Doch wegge- Die Freiwilligen Ruth Hofer (links) und Josy Mosimann (Abgabestellenleiterin Langenthal) portionieren den Käse. Varhang Vali ist einer von 25 Mitarbeitenden der Logistikplattform Grenchen. Hier wird die Ware für die Abgabestellen kommissioniert. worfen wird hier nichts. Pünktlich erscheint ein Frei- williger der Gassenküche und holt die Resten ab.Was er nicht selber verwerten kann, verteilt er Hilfsbedürf- tigen ohne offizielle Bezugskarte, beispielsweise Asyl- suchenden. Verteilen statt wegwerfen: Die Idee von «Tischlein deck dich» wird bis zum letzten Broccoli durchgezogen. *Name geändert Astrid Bossert Meier i Alles begann mit einem Joghurt «Tischlein deck dich»-Gründerin Anja Hübner entdeckte 1999 auf einem Joghurt, dass dieses zwar noch eine Woche lang geniess- bar, jedoch nur noch zwei Tage lang verkaufbar war. Auf Nachfrage erfuhr sie, dass solche Lebensmittel entsorgt werden. «Viel besser wäre doch, sie an Menschen weiterzugeben, die sie gut brauchen könnten», dachte sie. Die Idee von «Tischlein deck dich» war ge boren. Heute verteilenWoche für Woche rund 3000 Freiwillige Lebensmittel an 20 000 armutsbetroffene Menschen. In den professionellen Logistikteams arbeiten sechs Prozent Festange- stellte, rund 85 Prozent in Arbeitsintegrationsprogrammen und zehn Prozent Zivildienstleistende.
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQzMjY=